Der Kormoran: Schutz oder Überschutz?
Die Anzahl an Kormoranen erreichte zuletzt einen historischen Höchststand. Dies dürfte auch einen starken Einfluss auf unsere Fischbestände haben. Ist der Kormoran „überschützt“?

Bild: Pixabay
Der Kormoran: Einst bedroht, ist dieser Vogel nun wieder häufig bei uns zu beobachten, mit weitreichenden Folgen.
Galt der Kormoran zum Ende der 1970er Jahre als stark bedroht, erreicht die Anzahl der Vögel in Deutschland durch weitreichenden Schutz nun ein historisches Maximum. Die Rede ist von mehr als 1 Million Tieren. In diesem Zusammenhang kommt zunehmend die Frage auf: Wann ist eine Art „überschützt“?
Vom Gejagten zum Geschützten: Die Rückkehr des Kormorans
Der Kormoran war schon häufiger der Auslöser aufgeheizter Diskussionen. Als Resultat von starker Bejagung gehörte die Art in den 70er Jahren noch zu den gefährdeten Vogelarten Deutschlands. 1979 stellte man den Kormoran durch die Vogelschutzrichtlinie unter Schutz, was zu einer starken Zunahme der Kormoranbestände geführt hat. Heute findet man die Vögel wieder häufig an unseren Gewässern.
Mit einer Größe von bis zu 90 Zentimeter gehört der Kormoran zu den größeren Vögeln unserer Breiten. Er benötigt dabei etwa 300 – 500 Gramm Futter pro Tag. Bei einer Anzahl von einer Million Vögel entsteht so eine Menge von 300 bis 500 Tonnen Fisch, die Kormorane täglich in unseren Gewässern erbeuten. Im Jahr macht das etwa knapp 150.000 Tonnen Fisch. Im Vergleich dazu fingen Fischer in Deutschland 2020 gesamt nur etwa 195.000 Tonnen Fisch.
Dabei ist der Kormoran nicht nur auf Jungfische aus, sondern macht als opportunistischer Jäger auch vor größeren Exemplaren nicht Halt. Insbesondere bedrohte Arten, wie Huchen, Äsche, Lachs oder Aal, sind dadurch weiter gefährdet. Wie sinnvoll ist also der Schutz einer Art, wenn dadurch andere Arten in Mitleidenschaft gezogen werden?
Natura 2000: Sabotiert der Kormoran den Schutz unserer Gewässer?
Natura 2000 beschreibt ein Netzwerk aus Naturschutzgebieten in der EU, wozu die Schutzgebiete der Vogelschutz-Richtlinie, sowie die Schutzgebiete der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gehören. Insgesamt beinhaltet Natura 2000 etwa 27.000 Schutzgebiete und repräsentiert mit 17,5% der Landfläche der EU das größte Netz an Schutzgebieten weltweit.
Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie fordert den Erhalt von zu Natura 2000 gehörenden Teichwirtschaften. Zusätzlich gibt die Wasserrahmenrichtlinie vor, dass sich alle natürlichen Gewässer der EU bis zum Jahre 2027 einen guten ökologischen Zustand aufweisen. Der Schutz des Kormorans erschwert womöglich die Einhaltung dieser Ziele. Bisher ist der Abschuss nur dann erlaubt, wenn man dadurch eine „Abwendung erheblicher Schäden an Fischereigebieten und Gewässern“ erreicht. Ein Abschuss, oder die Vertreibung der Vögel scheint aber durchaus sinnvoll, insbesondere wenn seltene Fischarten darunter leiden.
Wie schädlich der Kormoran für unsere heimischen Fischbestände tatsächlich ist, wird kontrovers diskutiert. Während Naturschützer und Umweltschutzvereinigungen meist die Meinung vertreten, dass der Kormoran kaum Schäden in unseren Fischbeständen anrichtet, sind viele Angler vom Gegenteil überzeugt. Der Schutz einer Art sollte man in jedem Fall nicht unabhängig betrachten, sondern stets in einem größeren Kontext.
Ungarn erlaubt Jagd auf Kormorane – auch in Schutzgebieten
In Ungarn ist die Jagd auf Kormorane seit einem Jahr erlaubt, um Schäden am Fischbestand zu reduzieren. Selbst Vogelschützer stimmen zu.

Bild: Blinker / O. Portrat
Kormorane sind Fischfresser. Sie haben sich in vielen europäischen Ländern rasant ausgebreitet – und richten enorme Schäden an.
Der Fraßdruck durch Kormorane richtet auch in Ungarn enorme Schäden an. Jetzt sollen die fischfressenden Gierschlunde dezimiert werden. Doch um die Vögel auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, ist es ein langer Weg.
Kormorane fressen in Ungarn 4.000 Tonnen Fisch
Laut Ferenc Lévai, einem Vorstandsmitglied der Ungarischen Aquakultur und Fischereiverbänden, vernichten Kormorane jedes Jahr in Ungarn fast 4.000 Tonnen Fisch. Dabei ist es aber fast unmöglich, sie effektiv zu reduzieren. Das Fischmanagement am Plattensee hat die Erlaubnis erhalten, die großen Kormorane entlang der gesamten Uferlinie des Sees zu reduzieren, teilte das Unternehmen auf seiner Homepage mit. Im vergangenen Jahr haben Fischer 1.808 Kormorane erschossen.
Sogar Naturschutzverband in Ungarn begrüßt Abschuss der Kormorane
Selbst der Sprecher des ungarischen Ornithologie- und Naturschutzverbandes, Zoltan Orbán, begrüßt diese Maßnahme. Es gebe tatsächlich zu viele Vögel, die aus dem Ausland kämen und riesige Mengen an Fischen fressen. Die meisten Vögel stammten aus Nordeuropa und dem europäischen Teil Russlands. Außerdem sei das Phänomen auch eine Folge des Klimawandels.
„Bis vor 30 Jahren froren unsere Gewässer früh zu. In der zweiten Dezemberhälfte befanden sich die laichenden Fische sicher unter einem Eispanzer, die Kormorane mussten weiterziehen. Wenn es im Winter nun kaum mehr friert, bleiben die schwarzen Vögel hier. Doch wenn sie zu Hunderttausenden kommen, machen sie Probleme“, erklärt Orbán. Wegen den hohen Schäden dürfen Kormorane nach Genehmigung auch in Naturschutzgebieten (Natura 2000) von Ungarn bejagt werden.
Vögel jagen im Schwarm
Allerdings sind Kormorane gar nicht so leicht zu reduzieren. Sind ein paar Verwandte erlegt worden, werden die Vögel extrem vorsichtig und erkennen den Jäger schon von Weitem. Kormorane fressen im Schwarm. Kein Fisch im Süßwasser ist vor ihnen sicher, denn sie tauchen bis 50 Meter tief. So fallen sie wie Wölfe in eine Schafherde ein.
Eine Million Forint für die Lösung
Ungarn produziert jährlich 13.000 bis 15.000 Tonnen an Speisefisch, die Fischer fangen etwa 3.500 bis 4.500 Tonnen. Der geschätzte Schaden durch den Kormoran beträgt rund 4.000 Tonnen, von denen ein Großteil in Donau, Theiß und Plattensee erbeutet wird, also Gewässern, die von den Fischereiverbänden bewirtschaftet werden.
Lévai erklärt: „Es gibt keine Möglichkeit, den Vogel effektiv, effizient und regelkonform zu reduzieren. Ich werde jedem eine Millionen Forint zahlen, der mir verrät, wie man Kormorane dauerhaft wirksam bekämpfen kann.“ (Das entspricht ca. 2.500 Euro.) Und er fährt fort: „Das Ökosystem braucht einen Bestand aller Tierarten, aber der Mensch muss mit Überschüssen fertig werden.“
https://youtu.be/Ol9tO8Y1HYE
https://www.youtube.com/embed/Ol9tO8Y1HYEInfo zum Europäische Aal
Der europäische Aal (anguilla anguilla) kommt sowohl in Süß- als auch in Salzgewässern vor. Zu seiner Heimat zählen der Nordatlantik, die Nord- und Ostsee sowie viele weitere Gewässer des europäischen Kontinents von Südnorwegen bis hinein in den Mittelmeerraum. Zum Laichen wandert der ausgewachsene Aal zurück in den südwestlichen Nordatlantik, in die Sargassosee.
Dort, inmitten von frei schwebenden Braunalgen der Gattung Sargassum, laicht er bis zu 2 Millionen Eier pro Kilogramm Körpergewicht. Die geschlüpften Larven wiederum machen sich auf den langen Weg zur europäischen Küste bzw. weiter in die Fließgewässer. Für ihre Reise, die aufgrund des Golfstroms überhaupt möglich ist, benötigen sie circa 3 Jahre.
Je nach geografischer Lage, verbleiben sie hier zwischen 6 und 12 Jahren, bevor sie sich durch den Atlantik erneut auf den Weg in die Sargassosee machen. Erst in der Schlussphase dieser 5- bis 6-monatigen Wanderung setzt die vollständige Reife ein, die durch den Laichvorgang im März und April abgeschlossen wird.
Brandenburg: Angler retten Aale in der Havel
Ein Wehr in der Havel wäre für zahllose Aale im Juni fast zur tödlichen Falle geworden. Durch eine Rettungsaktion verhinderten Angler ein Fischsterben.

Bild: LAVB / Marcel Weichenhan
Ein Wehr in Rathenow wäre für zahllose Aale in der Havel fast zur Todesfalle geworden. Mit einer Rettungsaktion verhinderten Angler eine Katastrophe.
An einem Wehr in Rathenow (Brandenburg) wäre es Mitte Juni fast zu einem Aalsterben gekommen. Durch den niedrigen Wasserstand konnten unzählige Aale, die die Havel aufgestiegen waren, das Hindernis nicht überwinden. So hätte ihre Reise, die sie über Tausende Kilometer durch den Atlantik bis in deutsche Gewässer geführt hat, ein tödliches Ende gefunden.
Tausende Aale in der Havel fast verendet
Anglern fiel auf, dass sich außergewöhnlich viele Aale am Wehr in der Havel sammelten. Die Jungfische folgten ihrem Instinkt und versuchten, den Fluss hinaufzuschwimmen. Da jedoch der Wasserstand infolge der Hitze besonders niedrig war und das Wehr über keine Aufstiegshilfe verfügt, wären sie dort beinahe verendet. Einer der Angler nahm ein Video der Szene auf.
Mit der Hilfe des Landesfischereiverbandes Berlin-Brandenburg (LAVB) starteten die Angler eine Rettungsaktion. Ziel war es, den Aalen den Aufstieg in die Havel zu ermöglichen. Der Einsatz dauerte mehrere Tage, doch den Anglern gelang es, viele Tausend Fische vor dem Tod am Wehr zu bewahren. Mit Keschern sammelten sie die Aale in der Havel ein, um sie dann oberhalb des Wehrs wieder aufzusetzen. Aale sind zwar als gelegentliche Landgänger bekannt, doch sie hätten die zwei Meter Höhenunterschied am Wehr niemals überwinden können.
Bild: Marcel Weichenhan
Gemeinsam stark: Angler aus verschiedenen Vereinen waren mehrere Tage mit der Rettung der Aale beschäftigt.